Schatzsuche für den Frauenchor

Der Zyklus „Songs of Sunrise“ von Dame Ethel Smyth sollte unbedingt ins Konzertprogramm, nur wo bekommt man die Noten dafür? Werke von Komponistinnen wurden zu ihren Lebzeiten und werden auch heute noch sehr selten gedruckt. Irgendwo müssen sie aber doch zu finden sein!? In alten Archiven, im Nachlass der Frauen? Und so machen wir uns auf die Suche in den Tiefen des Internets. Zunächst kommen wir zügig voran: Der erste Song, „The March of the Women“, findet sich auf Youtube. Aber man soll sich nicht zu früh freuen! „1910“ heißt der zweite Song, aber irgendwo auf dem Weg von 1910 nach 2023 ist er wohl verloren gegangen. Schließlich findet sich ein Druck von 1911 im Internet Archive, herausgegeben vom Verlag Breitkopf & Härtel, London, aber das Lied ist für gemischten Chor komponiert. Auf der Suche nach dem dritten Song „Laggard Dawn“ sind wir fast am Ende unserer Kräfte und unserer Geduld: „When will the weary night be over?“ Vergeblich fragen wir beim Verlag Breitkopf und Härtel an. Der Originaldruck ist nicht mehr im Archiv vorhanden. Offenbar sind alte, in der englischen Filiale des Verlags publizierte Noten im zweiten Weltkrieg verloren gegangen. „Laggard Dawn“, der verzögerte, der zaudernde Sonnenaufgang, macht seinem Namen alle Ehre. Vielleicht sollten wir auf “Laggard Dawn“ verzichten und doch lieber „Der Mond ist aufgegangen“ singen? Aber wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben. In der Universitätsbibliothek Bern finden wir eine Abschrift des originalen Chorsatzes, die das „Forum MusikDiversitätSchweiz“ dort zum wissenschaftlichen Studium hinterlegt hat. Wir erhalten Fotos der Handschrift und die freundliche Erlaubnis des Forums „Laggard dawn“ ausnahmsweise beim Tübinger Komponistinnenfestival aufführen zu dürfen. Wie bei vielen anderen Stücken unseres Programms müssen die Noten aus der Handschrift dann noch in einen modernen Notensatz übertragen werden. Zugleich verfolgen wir noch eine zweite Spur nach England: Die Ladies des „Kantos Chamber Choir“ (Nordengland) haben „Laggard Dawn“ aufgenommen und in You tube gestellt! Noten sind – wenig überraschend – erst mal nicht auffindbar, dafür aber die Chorleiterin Alice Farnham. Alice wiederum weist den Weg zu Juliette Pochin, die Ethel Smyths Song arrangiert und mit produziert hat. Und Juliette, welch ein Wunder, ist so nett und schickt die Noten… Ihr neues Arrangement des Chores mit Instrumentalbegleitung gefällt uns so gut, dass wir es nun mit Herwig Rutt für unsere Besetzung mit Klavier angepasst haben und so mit Juliette Pochin noch eine weitere Komponistin in unser Programm aufnehmen konnten. Vielen Dank allen, die uns bei unserer Suche unterstützt und ermutigt haben!

Manyo Baten und Christine Martin